Tierschutzhunde – warum sie eine Chance verdient haben!

Mythen & Antworten von Conny Sporrer

Ich komme gerade aus Timisoara in Rumänien. Einem Land, das in den letzten Jahren einige positive Entwicklungen verzeichnen konnte, bei einem Thema tritt es aber leider an der Stelle: Der Straßenhundeproblematik. Ich bin am liebsten vor Ort, um mir selbst ein Bild zu machen, mit den Menschen zu sprechen, den Problemen auf den Grund zu gehen.

Fakt ist, dass gerade in den ländlichen Gegenden immer noch sehr wenig Gefühl für Tierschutz da ist. Hunde sind praktische Wachhunde, werden auch da und dort mit Futter versorgt, aber eine sichere Unterkunft und vor allem Prävention der Fortpflanzung ist dort vielen Menschen egal. Das führt zu immer mehr Hunden, kranken und verunfallten Tieren, um die sich dann erst recht niemand mehr kümmert.

Ja, es ist ein strukturelles Problem, das von Einzelpersonen kaum zu lösen ist. Was aber jeder von uns auf jeden Fall tun kann, ist die Augen nicht zuzumachen, Bewusstsein für Tierschutz zu verbreiten, Hunde adoptieren und nicht kaufen, für Organisationen vor Ort spenden. Seriöse Vereine setzen auch auf Nachhaltigkeit, organisieren Kastrationsprojekte, klären in Schulen auf usw. Es ist immer leicht, von einem privilegierten Land aus, vermeintliche Lösungen zu schwadronieren. Wer aber einmal vor Ort war und die Misere sieht, wird – versprochen – zumindest seinen Blickwinkel ändern.

Natürlich ist mir als Hundetrainerin immer die Auswahl des richtigen Hundes wichtig, damit Probleme erst gar nicht entstehen. Dazu gehört vor allem, sich für das richtige Wesen eines Hundes zu entscheiden, das perfekt zu einem selbst und der jeweiligen Lebenssituation passt. Diese Wesenszüge lassen sich natürlich bei Rassenhunden aufgrund ursprünglicher Verwendungen ganz gut zuteilen, werden aber von den meisten Menschen, die sich einen Hund wünschen, ohnehin außer Acht gelassen. Dabei ist es so wichtig, für sich zu ermitteln, ob ein Hund zum Beispiel eher aktiv oder lieber gechillt, wachsam oder zu jedermann freundlich, lernbegeistert oder eher genügsam sein soll. All diese Eigenschaften lassen sich am allerbesten bei erwachsenen Hunden feststellen, weil Motivationen wie Jagdverhalten, Territorialität & Co. dann fertig ausgeprägt sind. Deswegen empfehle ich bei der Hundeauswahl sehr häufig erwachsene Hunde, ganz abgesehen davon, dass die sehr anstrengende Welpenzeit mit Sozialisierung, und Training der Stubenreinheit & Co. für viele Menschen on top gar nicht drin ist.

Viele dieser erwachsenen Hunde (aber auch eine Vielzahl süßer Welpen) habe ich in den letzten Tagen wieder kennengelernt und auch für verschiedene Situationen und potentielle Familien testen dürfen. Natürlich kommen auch Tierschutzhunde irgendwann in ihrem echten Zuhause an und können sich nochmal ein wenig entwickeln, aber die Mär von den „Tierheimhunden, wo man ja nicht weiß, was sie erlebt haben“, ist nun mal absoluter Humbug. Ja, es gibt Hunde, die zu wenig erlebt haben. Vielleicht ohne Kontakt zu Menschen in einem Wald oder Hinterhof aufgewachsen, sind diese Hunde natürlich schüchtern bis sehr scheu und auch nicht einfach in ein typisches Leben unserer Gesellschaft zu integrieren – keine Frage. Von denen spreche ich aber erstmal gar nicht. Niemals hat aber einer der tausenden Hunde aus dem Tierschutz, den ich im Zuge meiner Laufbahn im Training hatte, in seiner Familie PLÖTZLICH irgendetwas getan, was vorher nicht berechenbar war. Gerade Hunde aus dem Tierschutz sind bekannt dafür, besonders fein zu kommunizieren, d.h. dass alles, was sie tun, erklär- und lesbar ist, wie bei Hunden aus der Zucht auch.

Apropos: man sollte nicht denken, wieviele Rassehunde ich vor Ort kennengelernt habe! Eine fantastische Deutsch-Drahthaar-Dame, Akitas, Vizslas, deutsche Schäferhunde, Labrador Retriever… Ich verstehe ja auch gut, wenn man sich im Leben mal den Wunsch von einem Rassehund erfüllen will – aber auch hier gibt’s immer wieder tolle Exemplare, die von ihren Halter:innen einfach in den regionalen Tierheimen „entsorgt“ werden.

Also nochmal: Hunde aus Tierheim und Tierschutz haben – und das können viele meiner Kolleg:innen so bestätigen – nicht mehr oder weniger Probleme als jeder andere Rassehund auch, den man extra aus einer Zucht geholt hat, weil man ja alles richtig machen wollte…

Ja, es geht in jedem Fall um überlegte Auswahl des Hundes – Emotionalität oder Optik sollten da nicht vorrangig sein. Aber ist es nicht vermessen zu behaupten, dass unter den tausenden Hunden in den Tierheimen, kein einziger dabei sein sollte, der perfekt passt?

Unsere Expertin:

Conny Sporrer zertifizierte DOGS-Trainerin

Hundetrainerin Conny Sporrer unterstützt uns bei DOG’S LOVE mit ihrer jahrelangen Erfahrung und umfangreichem Fachwissen. Nach ihrer Ausbildung bei Martin Rütter DOGS, eröffnete Conny ihre eigene Hundeschule in Wien. Außerdem ist sie erfolgreiche Buchautorin, Podcasterin sowie Gründerin der online Hundeschule hundetraining.me

 Mehr über Conny erfahren Sie hier

Weitere Artikel